Wie wir auf den Bergamasker kamen – oder Neuanfang und Abschied
Text und Fotos: Alexander Seitz
Wenn man einen Hund wie einen Bergamasker Hirtenhund hat, wird man häufig angesprochen. Wir wurden gewarnt, dass man etwas extrovertiert sein muss. Die Einen – die überwiegende Mehrheit – finden den Hund ganz toll und fragen sich, ob wir mit ihm beim Friseur waren, Die Anderen fragen sich wie man den kämmt oder bürstet und eine verschwindend geringe Minderheit ist sind entsetzt, ob des verwahrlosten Zustandes. Aber kaum einer kennt die Rasse. Geraten wird viel. Schön war ein Paar, wo er fragte, ob es ein Briard sei und seine Frau voller Sicherheit behauptete, dass er falsch lag und es ein Bobtail sei. Naja, sie lagen beide falsch (und für einen Bobtail, wäre er wirklich verwahrlost). Wenn wir die Leute dann aufklären (also bezüglich der Rasse) und etwas über die Seltenheit erzählen, werden wir oft gefragt, wie wir auf so eine Rasse kommen. Und das will ich nun einmal erzählen. Aber wie so viele Geschichten, fängt diese auch weit vorher an. So in etwa 13 Jahre vorher…
Ich persönlich war schon immer ein großer Anhänger von Schäferhunden. Mein Vater hatte einen alten Wachhund -Jago- nach dessen Pensionierung aufgenommen. Der Hund integrierte sich großartig in die Familie und erstaunte durch seine Instinkte. Um seine Reaktionen zu testen waren wir mal auf dem Hundeplatz und als der Figurant kam, stellte sich Jago automatisch beschützend vor das schwächste Glied seines Rudels. Im Gegenzug – als wir mit meinem kleinen Cousin spazieren waren lief dieser neben Jago her. Und als Jago zu schnell wurde, griff der Kleine instinktiv ins Fell des Hundes, damit dieser langsamer wurde. Meinen Eltern stellten sich in diesem Moment alle Nackenhaare – aber Jago machte einfach langsamer. Kindheitserlebnisse dieser Art prägen einen schon auf eine Rasse. Und immer noch liebe ich den deutschen Schäferhund – und in mir steigen immer wieder Zornestränen auf, wenn ich sehe, wie diese großartige Rasse mittlerweile kaputt gezüchtet wurde. Gott sei Dank ist dieser Trend rückläufig aber bei Zuchtschauen haben immer noch die Hunde mit einer stark abfallenden Hüfte die Nase vorn. Das ist allerdings eine andere Geschichte.
Der alte Hund meiner Schwiegereltern – eine Tibet Terrier-Hündin – war vor kurzem verstorben und meine Schwiegermutter kam mit einer Zeitungsbeilage zu uns in die Wohnung, in der ein sechs Monate alter Schäferhund inseriert war, der von einer Tierschutzorganisation aus einer Misshaltung gerettet worden war. Wie wir später erfahren hatten, hatte eine alleinerziehende Schwangere mit drei Kindern die Idee, sich einen Hund zuzulegen – einen Welpen. Das führte dazu, dass die Frau recht schnell überfordert war und der Hund mit einem halben Jahr ein Hof- und Kettenhund war. Ohne diese Vorgeschichte zu kennen wollten wir uns den mal anschauen, um zu sehen ob es passt. Es gab da noch Probleme mit weiteren Haustieren und meine Frau hatte die Verantwortung für zwei Diensthunde – Schäferhunde.
Der kleine Pit mit seinen übergroßen Ohren und der Rute, die zu lang für die Beine war, kam auf uns zu gerannt und eroberte uns im Sturm. An dem Tag war ein richtiges Sauwetter – aber wir haben uns für einen Hund interessiert und waren darauf vorbereitet. Das Probegassi dauerte bei strömenden Regen eine halbe Stunde. Um es kurz zu machen: Pit zog am selben Tag bei uns ein. Auf die Papiere, die vorhanden sein sollten und den Impfnachweis würden wir noch heute warten. Eigene Erfahrungen als Hundehalter hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich kannte quasi nur ausgewachsene Hunde. Und zur weiteren Erläuterung: Pit war ein sog. Grauer Schäferhund. Um das mal richtig einzuordnen: Von der Nervosität und – ich nenne es mal „Arbeitswillen“ – gibt es folgende Rangfolge (von niedrig bis hoch): weißer Schäferhund, schwarzer Schäferhund, „klassischer“ Deutscher Schäferhund, Grauer Schäferhund und gleich danach Malinois. Er hat uns vor einige Herausforderungen gestellt und unser Leben sehr bereichert. Aber wie es so ist mit Tieren aus Heimen oder aus einer Misshaltung – meistens haben sie sich unangenehme Verhaltensweisen angeeignet, mit denen man umgehen können muss. Eines, was ich sehr positiv empfand, war der große Beschützerinstinkt. Mit anderen Hunden hingegen… konnte man es nie wissen. Er kam besser mit Rüden zu Recht als mit Hündinnen – was bei anderen Hundehaltern sehr für Verwirrung sorgte.
Eine typische Begegnung: „Ist ihrer ein Rüde?“ Antwort von mir: „Ja.“ – „Dann ist ja alles gut, unsers ist eine Hündin“ – und schwupps wurde der andere Hund von der Leine gelassen, ohne eine Antwort abzuwarten. So nach dem Motto – Mann und Frau verstehen sich schon. Es ist bei Menschen auch nicht so, dass sich Mann und Frau automatisch verstehen, warum soll es bei den Tieren automatisch so sein? Aber da Pit dann an der Leine blieb, gab es außer Bellerei und verdutzten Gesichtern (beim Gegenüber) nie Probleme. Auch zog ich es vor, wenn Pit bei der ersten Begegnung an der Leine blieb – man kann ein tiefes Grolles nämlich über die Leine spüren, wenn man es nicht hört, und den Hund dann gleich maßregeln. Danach war klar, dass ich den Ton angebe und die Begegnung verlief meistens problemlos. Pit war ein Hund, der überall mit hinkonnte. Er wollte einfach dabei sein und wenn es mal richtig eng wurde, dann zeigte er seine wahre Stärke und blieb einfach total ruhig. Er wurde beim Bummel in der Einkaufspassage oder durch die Stadt von anderen Hunden (kleinen bis sehr kleinen) angebellt und angegiftet – und ignorierte dies. Die Zuschauer dieses „Spektakels“ amüsierten sich regelmäßig darüber. Über die Zeit hinweg haben wir auch festgestellt, dass es viel mit territorialem Verhalten zusammenhing. Heißt, bei uns in der Gegend war er stark und wollte „den Dicken markieren“. Im Urlaub verliefen die Begegnungen meistens problemloser. Da ging man sich dann lieber aus dem Weg. Also es war nicht immer einfach mit anderen Hunden, trotzdem probierten wir es immer wieder, um positive Erlebnisse zu stärken. Und hier kommt Sylvia ins Spiel. Sie hatte auch einen großen absolut gutmütigen schwarzen Hund, den Saro. Wir probierten es, die beiden zusammenzubringen und trafen uns auch mal bei uns zu Hause. Und da passierte etwas absolut Faszinierendes: Saro entdeckte ein Spielzeug, in dem noch Leckerli waren, die Pit nicht rausbekam. Saro schnappte sich das Teil und holte die letzten Brocken raus. Pit saß mit einem entsetzten Blick daneben und schaute uns recht hilflos an. So nach dem Motto: „Was macht der mit meinem Ball?“. Keinerlei Aggression, kein „Ich bin hier der Boss“. Die beiden wurden dicke Kumpels. Und wir wurden gute Freunde.
Und dann kam nach einiger Zeit ein weiterer Hund bei Sylvia hinzu, der Alf. Wie sich Jahre später herausstellte, war das ein Bergamasker-Border-Mischling. Einer mit großem Gerechtigkeitssinn. Wenn es auf der Hundewiese mal blöd lief zwischen zwei Hunden, dann ging er einfach dazwischen. Also er griff keinen an, er bellte keinen an. Er drängte sich dazwischen und trennte die Streithähne einfach. Auch mit Alf kam Pit super zurecht. War schon ein tolles Trio: Pit, Saro und Alf. Aus dem Trio wurde irgendwann ein Duo – das ist leider der Lauf der Natur – und dann stellte sich für Sylvia und Gundula die Frage nach einem Zweithund. Da ihnen auch die positiven Eigenschaften von Alf so sehr gefielen, informierten sie sich nach Bergamaskern. Und wurden in Amerika fündig. So kam Dr. Pepper – irgendwie – auch zu uns. Wir erfuhren viel über diese Rasse und begeisterten uns auch für sie. Die Vierbeiner waren also wieder ein Trio.
In diesem Zusammenhang kam es im Mai 2017 zu einem Bergamaskertreffen im Rhein-Neckar-Kreis, dass wir auch mit unserem Pit besuchten. Am Eingang des Platzes hing ein Schild: ab hier ohne Leine. Also, ab durch die Tür – und Leinen los. Wird schon gut gehen…
Hier waren über 20 Hunde – vorwiegend Bergamasker – und wir machten eine erstaunliche Erfahrung: Pit fing mit keinem einzigen Streit an. Mit dem Platzhirsch – dem König – gab es eine Begegnung, bei der sich beide intensiv anschauten. Beide stellten die Rute auf, so gut sie konnten und zumindest bei Pit konnte man die Rückenbürste sehen (bei Bergamaskern sieht man das nicht so). Ich war sprungbereit und bei meiner Frau hätte man in diesem Moment kein Blut nehmen können. Dann schaute jeder der beiden Rüden zur Seite und jeder ging seiner Wege. Die beiden gingen sich den ganzen Tag aus dem Weg und für uns, die wir uns auch schon die Frage nach einem Zweithund gestellt hatten, war klar: Wenn ein Zweithund, dann ein Bergamasker. Zufälligerweise (?) lernten wir hier auch Frank kennen von der Zuchtstätte Bergische Bergamasker.
Und hier kommt wieder Dr. Pepper ins Spiel, der unsere Herzen erobert hatte und im selben Jahr zum Zuchtrüden wurde. Er durfte bei den Bergischen Bergamaskern die Ayasha decken. Ein kleiner Pepper wäre schön für uns gewesen sowie für Sylvia und Gundula, die einen ihrer Welpen in der unmittelbaren Umgebung hätten und fragten mal vorsichtig an, ob wir uns das vorstellen könnten. Aber erstens kommt es anders – und zweitens als man denkt. Der Deckakt war leider nicht von Erfolg gekrönt. Dafür wurde Franks ältere Hündin – die Dea – noch einmal gedeckt. Dank Sylvias Fürsprache kamen auch wir in den engeren Kreis der Welpen Interessenten. Und hier auch noch einmal ein großes Lob an Frank, den wir ein paar Mal besuchten. Er ließ es zu, dass wir Pit mit unserem neuen Familienmitglied zusammenbrachten. Aufgrund der Vorgeschichte wollten wir vorher schon einmal austesten, ob es überhaupt klappen würde, da Pit zu diesem Zeitpunkt auch schon 12 Jahre alt war. Pit schaute etwas hilflos drein, ob der kleinen Vierbeiner, die da um ihn herumtollten. Und spätestens bei der zweiten „Zusammenkunft“ konnte man ihm im Gesicht ablesen, dass es ihm dämmerte, was da auf ihn zukommt. Was soll ich sagen: Im November 2017 zog Elwood bei uns ein und bereichert bis heute unser Leben. Er hat Pit in seinen letzten zwei Jahren noch einmal richtig Schwung gegeben und Pit war im Umgang mit anderen Hunden viel gelassener geworden. Ob das nun an seinem Alter (und damit, dass er deshalb nicht mehr so stark war) oder der längerfristigen Bindung mit einem anderen Hund lag, kann ich nicht sagen. Es entstand auf jeden Fall eine richtige Bindung zwischen den beiden. Wenn der kleine Elwood mal zu sehr von einem anderen Hund bedrängt wurde, kam Pit trotz diverser Probleme und verteidigte ihn – ohne Aggressivität. Elwood akzeptierte Pit immer als den Ranghöheren, selbst als Elwood dem alten Pit körperlich deutlich überlegen war. Und als Pit nicht mehr so konnte und mal von einem jungen Hüpfer bedrängt wurde, tat Elwood es ihm gleich und schirmte seinen großen Bruder ab. Erlebnisse wie diese haben uns immer wieder darin bestätigt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Vielen Dank an alle Beteiligten, dass wir so einen tollen Hund haben dürfen und in der großen Bergamasker-Familie aufgenommen wurden. Und es bewahrheitet sich: Wer einen Bergamasker zu sich aufnimmt, bekommt nicht nur einen Hund, sondern eine ganze Familie (wenn man sich darauf einlässt).
Ganz liebe Grüße von Alex und Cindy mit Elwood
Liebe Cindy , lieber Alex ich habe echt Pipi in den Augen.
Ich vermisse Saro, Alf und Pit sehr und danke euch für diesen tollen Bericht.
Sylvia
Ich vermisse sie ebenso und dein Bericht ist wirklich aus dem Leben geschrieben.